58.000 Tote durch falsche Medikamente
WELT AM SONNTAG
Veröffentlicht am 07.09.2003
In Deutschland sterben jährlich etwa 58 000 Menschen durch die Nebenwirkungen
von Medikamenten und damit 40 000 Menschen mehr als bisher angenommen. Das ergaben
Studien von Jürgen Frölich, dem Leiter des Instituts für klinische
Pharmakologie an der Universität Hannover.
Der Wissenschaftler vertritt die Auffassung, dass die Krankheiten, die durch Medikamente
hervorgerufen werden, zu fünfzig Prozent vermieden werden könnten, wenn
das aktuelle klinisch-pharmakologische Wissen angewendet werden würde.
Horst Schmidbauer, der Gesundheitsexperte der SPD, bedauerte, dass es - anders
als bei der niedrigeren Zahl der Verkehrstoten - keinen öffentlichen Aufschrei
gebe. Die EU-Kommission arbeitet zwar an Richtlinien, um die Zahl der Todesfälle
einzudämmen, Schmidbauer zweifelt aber an deren Erfolg: "Deswegen tendiere
ich weiterhin zu einer nationalen Aktion." Dazu könnten seiner Auffassung
nach Informationen gehören, die auf einer Patientenkarte gespeichert werden
und den behandelnden Arzt rechtzeitig vor gefährlichen Verschreibungen warnen.
Frölich fordert neben einer Verbesserung der Ausbildung von Medizinstudenten
ein flächendeckendes Informationsnetz mit Anwendungskriterien für Arzneimittel.
Eine Arbeitsgemeinschaft - so der Wissenschaftler weiter - würde sich seit
vier Jahren damit befassen, ein solches Netzwerk bundesweit aufzubauen, doch es
fehle das Geld. Lediglich in Niedersachsen existiere ein solcher Informationsdienst
seit 1995.